Sinnvolle Beschäftigung Für den Hund

Was, wie viel und ab wann?

 

Hunderassen sind aus einem Zweck heraus entstanden und jede Rasse hat(te) eine bestimmte Funktion. Die Spannbreite reicht von Jagd- und Hütehunden über Schutz- und Wachhunde bis hin zu Rettungs-, Assistenz- und Gesellschaftshunden. Im Laufe der Entwicklung wurden immer mehr Arbeitshunde zu Familienhunden und die meisten haben damit leider auch ihre Aufgaben, für die sie einst gezüchtet wurden, verloren. Doch den Willen zu arbeiten haben viele noch immer und ein unausgelasteter und gelangweilter Hund sucht sich womöglich eigene Aufgaben und kann im schlimmsten Fall für den Menschen problematisches Verhalten entwickeln.

 

Beschäftigung ist also wichtig, stärkt die Bindung und macht dazu auch noch Spaß. Diese Tatsache hat sich inzwischen rumgesprochen und leider zu einem gegenteiligen Problem geführt. Waren in der Vergangenheit noch viele Hunde unterfordert, ist es inzwischen oft umgekehrt. Besonders bei aktiven, intelligenten Arbeitsrassen neigen viele Menschen dazu, zu viel mit ihren Vierbeinern zu machen in dem Glauben, diese Hunde unbedingt müde machen zu müssen. Und das zum Teil schon im Welpen- und Junghundealter. Es gibt Hunde, die jeden Tag Training in einer anderen Disziplin haben - das ist einfach zu viel! Auch wenn es oft nur in guter Absicht geschieht, überlastet man die Tiere damit psychisch und physisch und erzieht sich womöglich ein hyperaktives Nervenbündel, das nicht mehr von alleine zur Ruhe kommt. Häufig wird dann geglaubt, der Hund sei noch immer nicht müde und muss noch mehr ausgelastet werden. Ein Teufelskreis für Hund und Mensch. Wichtig ist die Waage zwischen An- und Entspannung im Gleichgewicht zu halten, dann hat man auch einen ausgeglichenen und zufriedenen Hund.

 

Wie viel Beschäftigung braucht mein Hund?

Wie viel Auslastung und Bewegung ein Hund benötigt hängt von vielen Faktoren ab, u.a. vom Alter, Charakter, der Rasse und dem Gesundheitszustand. Aber auch von der Erziehung, denn je mehr man seinen Hund im ersten Lebensjahr fordert, desto mehr verlangt er auch später. Betrachtet man das Ganze aus der anderen Perspektive, also wie viel Schlaf und Ruhephasen ein Hund benötigt, wird der aktive zeitliche Rahmen schonmal deutlich eingegrenzt. Erwachsene Hunde (auch aus Arbeitsrassen) haben ein Ruhebedürfnis von ca. 16 bis 18 Stunden am Tag, in denen sie schlafen, dösen und sich entspannen. Bei jungen, alten und kranken Hunden kann diese Zeit sogar bis zu 22 Stunden am Tag betragen. Bleibt also ein Zeitfenster von ca. 2-8 Stunden am Tag, in denen der Hund aktiv ist.

Wie kann diese Zeit gestaltet werden? Es gibt Rassen, die im Stande sind über einen längeren Zeitraum körperlich hart zu arbeiten. Das bedeutet aber nicht, dass sie dies auch müssen, vorallem nicht täglich. Ein Hütehund in einem Viehbetrieb bspw. hat sicherlich einige arbeitsintensive Tage im Jahr. Noch öfter jedoch hat ein solcher Hund nichts zu tun. Diese Erholungsphasen sind auch enorm wichtig, denn sonst wäre er auf Dauer nicht dazu in der Lage den hohen Anforderungen standzuhalten.

Was oft unterschätzt wird und wovon viele Hunde leider zu wenig bekommen, ist ausreichend Bewegung in Form von ausgedehnten und abwechslungsreichen Spaziergängen - natürlich immer angepasst an Alter, Größe und Gesundheitszustand. Die Bewegung an der frischen Luft, gemeinsam mit dem Menschen durch die Natur streifen, hin und wieder neue Orte entdecken und einfach Hund sein dürfen (damit sind keine Jagdausflüge gemeint), ist für die allermeisten Hunde  pure Lebensqualität. Kleine Suchspiele, Balance- oder Gehorsamsübungen können hin und wieder in den Spaziergang integriert werden. 1-2 mal pro Woche Hundesport ist für die meisten Hunden vollkommen ausreichend, um zufrieden und ausgelastet zu sein.

 

Wie finde ich die passende Beschäftigung für mich und meinen Hund?

Inzwischen gibt es unendlich viele Beschäftigungsangebote und Hundesportarten, die man mit seinem Hund gemeinsam unternehmen kann. Im Mittelpunkt sollte in erster Linie natürlich der gemeinsame Spaß stehen. Mensch und Hund sollten beide Freude an der gemeinsamen Aktivität haben, nur dann ist es für beide Seiten ein Gewinn. Oft zeigt sich schon im Alltag woran der Hund Spaß und Interesse hat. Rassedispositionen können dabei natürlich eine Rolle spielen, müssen es aber nicht. Der eine Hund nutzt gerne und talentiert seine Nase, während ein anderer schnelle Aktivitäten bevorzugt und der nächste leidenschaftlich gerne apportiert. Probieren geht über Studieren und manchmal entdeckt man ungeahnte Talente an seinem Vierbeiner. :-)

 

Wann und wie sollte ich nun beginnen?

Mit kleinen spielerischen Übungen kann man oft bereits im Welpen- und Junghundealter langsam beginnen, mit richtigem Training sollte man sich allerdings unbedingt Zeit lassen! Die Welpenzeit sollte in erster Linie der Entwicklung und Erziehung des jungen Hundes gehören. Für diesen ist es aufregend genug, die Welt zu entdecken und das kleine Hunde 1x1 zu lernen. Die vielen täglichen neuen Eindrücke und Reize müssen verarbeitet werden, Hausregeln verstanden sowie mit Frust und Langeweile umgegangen werden. Zusätzliche Beschäftigung ist in diesem Alter oft überflüssig und eher von Nachteil.

Zudem ist eine gewisse geistige und körperliche Reife elementar für die meisten "Hundejobs". Schaut man sich bspw. an, wie ein junger Hütehund in einem Schafsbetrieb aufwächst, wird schnell deutlich, dass er in den ersten Monaten zwar das Leben und die Regeln auf dem Hof kennenlernt, aber noch lange nicht ans Vieh darf. Die Ausbildung beginnt i.d.R. erst im Alter von ca. einem Jahr. Zudem sollen diese Hunde dem Schäfer möglichst lange und gesund über viele Jahre zur Seite stehen. Beginnt und steigert man das Training zu früh, verheizt man jedoch womöglich einen guten Hund.

Leider verfügen viele Menschen nicht über ausreichend Geduld und starten aus falschen Ehrgeiz heraus bereits im Welpen- oder Junghundealter mit Hundesport, oft zum Leidwesen der Hunde. Höher, schneller, weiter, irrer - ein Sinnbild unserer heutigen Gesellschaft. Dabei verpasst man überhaupt nichts, wenn man sich Zeit lässt. Der Hund wird deshalb ganz sicher nicht schlechter sein in seinem zukünftigen Job.

 

Wie man die Junghundezeit vorbereitend nutzen?

Neben der Sozialisierung und Grunderziehung des jungen Hundes, gibt es bereits viele Dinge, die man vorbereitend für das spätere Hobby oder den Job des Hundes üben kann, ohne gleich ins eigentliche Training einzusteigen. Diese Dinge finden oft drumherum statt. Nehmen wir nochmal das Beispiel des Schäfers. Der junge Hund lernt oft schon die Abläufe am Hof, ist teilweise bei Kontrollgängen oder der Fütterung dabei. Manchmal darf er den großen Hunden bereits bei deren Arbeit am Vieh zuschauen und lernt entspannt zu bleiben, wenn andere Hunde dran sind sowie mit Frust und Impulskontrolle umzugehen. Das gleiche gilt für den späteren Agihund. Auch hier kann der junge Vierbeiner lernen im Trainings- oder Turniertrubel ruhig und gelassen zu bleiben und ohne Druck oder aufbauschende Motivation das Gelände und erste Geräte zu erkunden. Möchte ich später Mantrailing machen, ist es z. B. wichtig, dass der Hund lernt entspannt im Auto zu warten. Positive Erfahrungen mit fremden Menschen, Geschirr und langer Leine sind ebenfalls sinnvoll. Auch kleine Futtersuchspiele können bereits im Welpenalter stattfinden. Wichtig ist auch die behutsame Gewöhnung an unterschiedliche Locations und Untergründe.

All das sollte natürlich ohne Druck stattfinden! Wichtig ist immer das Tempo des Hundes miteinzubeziehen und sich ausreichend Zeit zu nehmen. Erst im Alter von 10-14 Monaten, sollte dann langsam mit dem richtigen Training begonnen werden.

 

Fazit:

Wie so oft im Leben, ist weniger auch in der Hundewelt mehr. Lasst euch und vor allem eurem Hund Zeit im ersten Lebensjahr. Erlebt gemeinsam kleine Abenteuer und chillt gemeinsam auf der Couch. Ihr tut weder euch, noch eurem Hund einen Gefallen, wenn ihr ihn zu früh fordert und damit überfordert.

"Wenn du es eilig hast, geh langsam." Dieses alte Sprichwort gilt auch und gerade für den Umgang mit unseren Hunden.

 

© Jennifer Nilsson (1/2023)